Ungewisse Zukunft für die «Unjurierte»

Im Juni 2026 hätte die 10. Ausgabe der in Winterthur und Umgebung beliebten Kunstausstellung «Unjurierte» stattfinden sollen. Aufgrund «strategischer und finanzieller Überlegungen im Bereich der Kulturförderung» wurde sie verschoben, wie auf der Website des Amtes für Kultur der Stadt Winterthur zu lesen ist. Ob sie 2027 stattfinden wird, ist momentan ungewiss. Sicher ist allerdings, dass ab 2027 weitere Kürzungen im Kulturbereich geplant sind.

2022 fand die bisher letzte «Unjurierte» in den Eulachhallen statt. 300 Ausstellende, knapp 7000 Besuchende, für rund 140 000 Frankenwurden Kunstwerke verkauft, wo-von die Stadt 20 Prozent als Provision erhielt. Der Nettoaufwand für die Stadt betrug rund 188 000 Franken, womit das Budget leicht unterschritten wurde. «Am bewährten Konzept wurde festgehalten», heisst es im Abschlussbericht. Auch aus dem Parlament kamen positive Zeichen. FDP-Stadtparlamentarier Raphael Perroulaz erkundigte sich 2023 mit einer Interpellation nach der Zukunft der «Unjurierten». Er stellte aufgrund des  Erfolgs der Ausstellung sogar eine Verkürzung des ‹normalen› Intervalls von vier Jahren zur Diskussion, allerdings bei einer gleichzeitigen Verkürzung der Ausstellungsdauer, um Mietkosten zu reduzieren. Zudem erkundigte er sich, was die Stadt von einer Auslagerung der Organisation aus der Stadtverwaltung halte. Die Antwort des Stadtrates von Januar 2024 ist die bisher letzte offizielle Information. Darin hält der Stadtrat an einem vierjährigen Intervall fest, zeigt sich jedoch bereit,eine Auslagerung an eine private Trägerschaft zu prüfen. «Im Hinblick auf die nächste Ausgabe 2026 wird es wichtig sein, auch die lokale Kunstszene in die Überlegungen zu organisatorischen Veränderungen mit einzubeziehen», hält der Stadt rat in seiner Interpellationsantwort fest.

Seitdem herrscht Funkstille. Die Künstlergruppe Winterthur, welche 1987 die «Unjurierte» überhaupt initiierte, wurde weder über die Verschiebung informiert noch auf eine mögliche Neuorientierung angesprochen, wie Christiane Ghilardi, die Geschäftsführerin der Künstlergruppe, gegenüber dem P.S. ausführte. Beim Amt für Kultur bestätigt die Leiterin Tanja Scartazzini diesen Sachverhalt. Die Verschiebung habe sich während der Budgetplanung 2025 abgezeichnet und stehe seit Anfang 2025 fest. Die Formulierung im ergänzenden Bericht zum soeben durch das Parlament verabschiedeten Budget lässt darauf schliessen, dass primär finanzielle Überlegungen zum Entscheid geführt haben: «Aufgrund der Budgetvorgaben musste die ‹Unjurierte Ausstellung› mit 170 000 Franken um ein Jahr auf 2027 verschoben werden», heisst es da. Im Parlament fand die Ausstellung keine Lobby. Eine Neuausrichtung ist bisher noch nicht geplant worden: «Es bestehen zum jetzigen Zeitpunkt weder konzeptionelle Festlegungen noch Entscheide», heisst es dazu beim Amt für Kultur. Verschiedene Optionen würden «ergebnisoffen» geprüft. Auf eine Durchführung im Jahr 2027 will sich Tanja Scartazzini nicht festlegen: «Ob und in welcher Form eine Durchführung erfolgen wird, hängt von den laufenden Abklärungen ab. Ein abschliessender Entscheid liegt noch nicht vor.» Weitere Kulturkürzungen ab 2027Offenbar zeigt die kontinuierliche Blockade-Politik des ‹Sparblocks› aus SVP, FDP, der sogenannten Mitte, der EVP und der GLP im Kulturbereich weitere Folgen. Gemäss dem mittelfristigen Finanzplan sollen die unbefristeten Subventionsverträge mit Musikkollegium, Theater Winterthur, Kunstverein und Technorama mit dem Hinweis auf eine finanzielle Notlage temporär gekürzt werden. Auch bei den städtischen Museen soll gemäss der Finanzplanung 2027 gekürzt werden: Beim Naturmuseum sind es 80 000 Franken, beim Gewerbemuseum 75 000 Franken. Zudem, so Scartazzini, «werden neben den im Finanz- und Aufgabenplan FAP ersichtlichen Positionen für das Jahr 2027 weitere Reduktionsmöglichkeiten geprüft.»

Kommentar Matthias Erzinger

Noch ist unklar, ob und wie die «Unjurierte» wieder stattfinden wird. Es ist auch nachvollziehbar, dass im Amt für Kultur wenig Euphorie dafür besteht,ein solches Projekt anzupacken, wenn im Hintergrund der Spar-Block droht. Das Beispiel zeigt exemplarisch die Folgen der rigorosen Blockade-Politik durch diesen Block. Die konsequente ‹Rotmalerei› lähmt die Verwaltung. Mit der «Unjurierten» ist ein Anlass unter Druck, der einfach Freude verbreitete, integrativ wirkte, gesellschaftliche Kohärenz in breiten Bevölkerungskreisen förderte – und nicht zuletzt für viele Kunstschaffende eine willkommene Gelegenheit für den Verkauf der eigenen Werke darstellte. Diejenigen Parteien, welche der SP und den Grünen konsequent vorwerfen, «Spassbremser» zu sein, sind die effektiven Spassbremser – auch wenn sie nun die Verantwortung weit von sich weisen werden. Aber ihre arrogante, einseitige Sparpolitik ist letztlich dafür verantwortlich, dass solche Projekte in der Stadtverwaltung immer weniger verfolgt werden.

Artikel aus der «PS» von Matthias Erzinger

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